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Henning Mankell: Vor dem Frost. Roman. Wien: Zsolnay, 2003. Im Sommer 2001 kehrt Linda Wallander als frischgebackene Polizeianwärterin von der Polizeiakademie in Stockholm in ihre Heimatstadt Ystad zurück. Im September wird sie dort bei der Polizei anfangen. Den freien Sommer nutzt sie dazu, alte Freundschaften zu ihren alten Schulfreundinnen Anna und Zebra wieder aufzufrischen und sich an den Gedanken zu gewöhnen, in Zukunft im gleichen Polizeipräsidium wie ihr Vater zu arbeiten. Zur Zeit wohnt sie auch noch bei ihm, weil sie ihre neue Wohnung noch nicht beziehen kann, was zu einigen Schwierigkeiten führt. Im August wird sie dann unvermutet in einen Fall ihres Vaters hineingezogen, als ihre Freundin Anna plötzlich verschwindet, und sie in ihrem Tagebuch den Namen eines Mordopfers findet, einer Frau, die bestialisch in einer einsamen Hütte im Wald ermordet aufgefunden wurde. Anna hatte ihr einen Tag vorher erzählt, daß sie glaubte, in Malmö ihren Vater gesehen zu haben, der seit ihrer Kindheit verschwunden war. Weitere merkwürdige Dinge waren in der letzten Zeit passiert. Angeblich wurde brennende Schwäne über einem See gesichtet, ein Kalb wird bei lebendigen Leib verbrannt und auf Annas Spuren entdeckt Linda Anzeichen, die auf eine merkwürdige Sekte hindeuten. Als schließlich gleichzeitig zwei Kirchen in Schonen brennen und in einer die Leiche einer Frau ausgestreckt vor dem Altar gefunden wird, wird es immer klarer, daß hinter all diesen Ereignissen religiöser Fanatismus stecken muß. Aber hat dies alles auch mit dem Wiederauftauchen von Annas Vater zu tun, wie Linda glaubt? Zusammen mit Stefan Lindman, dem Polizisten aus Mankells letzten Roman "Die Rückkehr des Tanzlehrers", versucht sie, die Zusammenhänge zu verstehen. Mit diesem Roman läutet Henning Mankell eine neue Epoche ein. Er zieht sich von seinem bisherigen Helden und alter Ego Kurt Wallander zurück und verlagert die Sicht der Handlung auf seine Tochter Linda. So können wir Kurt Wallander erstmals von außen erleben und sehen die Ereignisse nicht aus seiner Sicht. Dieser Kunstgriff bietet faszinierende Einsichten über die verschiedenen bekannten Figuren im Mikrokosmos der Polizeistation von Ystad. Aber nicht nur wegen diesem gekonnt vollzogenen Perspektivenwechsel ist Henning Mankell wieder ein hervorragender Kriminalroman gelungen. Der Fall, der hier im Mittelpunkt steht, ist nicht nur wieder extrem spannend, sondern thematisiert auch wieder ein wichtiges gesellschaftspolitisches Thema, hier die Gefahren des religiösen Fanatismus. So ist es keinesfalls ein Zufall, daß Linda ihren Dienst offiziell schließlich am 11. September 2001 antritt. Annemarie Kluge |
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