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Der Obrist und die Tänzerin
"Der Obrist und die Tänzerin" ist im Gegensatz zu den Assoziationen,
die der Titel nahe legen mag, kein Historienfilm zwischen Säbelrasseln
und Romantik. Das Regiedebut von John Malkovich befasst sich mit weit
ernsteren Themen, nämlich mit der jüngsten Vergangenheit eines nicht näher
benannten südamerikanischen Staates. "Der Obrist und die Tänzerin" ist
die Verfilmung eines Romans von Nicholas Shakespeare, der aus dessen Anstrengungen
entstanden ist, sich in einem sehr konkreten südamerikanischen Land mit
einem Rebellenführer zu treffen. Das Land ist Peru und der Rebell ist
Abimael Guzmann, ehemaliger Universitätsprofessor und Anführer des "Leuchtenden
Pfades" - einer Bewegung, die mit Gewalt ihre Vorstellung eines gerechten
Kommunismus durchsetzen wollte.
Shakespeare hat sich allerdings nicht selbst in den Mittelpunkt gestellt,
sondern eine Geschichte erfunden, die sich um den ehemaligen Anwalt und
Polizisten Augustin Rejas dreht, der einen nur als "Ezequiel" bekannten
Terroristenführer verhaften soll, der für diverse brutale Anschläge verantwortlich
gemacht wird, die die Hauptstadt des Landes seit kurzem erschüttern. Nachdem
es zunächst unmöglich scheint, den Verantwortlichen ausfindig zu machen,
macht Rejas langsame Fortschritte, als ihm sein Fall durch das Militär
aus der Hand genommen wird - wobei die Truppen ebenso brutal und wahllos
vorgehen wie die Terroristen. Gleichzeitig wird Rejas Privatleben ins
Chaos geworfen: der ehemals glückliche Familienvater, der von seiner Frau
entfremdet ist, verliebt sich in die Tanzlehrerin seiner Tochter. Während
diese Beziehung sich langsam entwickelt, kommt Rejas dem Phantom "Ezequiel"
schließlich auch immer näher. Aber unabhängig vom Ausgang des privaten
und beruflichen Erfolgs ahnt man doch, dass für den Obristen und die Tänzerin
in diesem von Terror und Repression zerrissenen Land kein glückliches
Ende geben wird.
Der größte Verdienst von "Der Obrist und die Tänzerin" besteht darin,
dass er die Atmosphäre in einem Land zwischen Terror, militärischer Willkür
und einer korrupten Regierung authentisch beschreibt. John Malkovich konnte
es entgegen den Gepflogenheiten der Hollywood-Studios durchsetzen, dass
der Film durchgehend mit südamerikanischen Schauspielern besetzt wurde,
darunter vor allem der großartige Javier Bardem als Augustin Rejas. Irgendwo
zwischen politischer Weltgeschichte und Thriller entwickelt der Film eine
eigene Spannung, die den Zuschauer in keiner Sekunde los lässt. Schade
ist nur, dass die Authentizität gegen Ende zugunsten einer eher typischen
Auflösung vernachlässigt wird. Dennoch ist "Der Obrist und die Tänzerin"
unbedingt sehenswert. Christian Ulmke
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