Die Klavierspielerin

Erika Kohut ist Klavierlehrerin am Konservatorium in Wien. Sie ist mit ihren Schülern unnachgiebig und verlangt von ihnen volle Hingabe. Wenn sie spürt, daß ein Schüler dazu nicht in der Lage ist, geht sie mit äußerster Grausamkeit gegen ihn vor. Außerhalb ihrer Lehrtätigkeit wird ihr Leben von ihrer Mutter bestimmt, die über jeden Schritt ihrer Tochter informiert sein will und sie sofort zur Rede stellt, wenn sie sich außerhalb dieser engen Grenzen bewegt. Wenn Erika es doch schafft, Zeit für sich zu haben, verbringt sie diese in Pornokinos oder schaut im Autokino den Liebenden zu. Zuhause in ihrem Bad fügt sie sich in ihrem Intimbereich Verletzungen zu. Als sie plötzlich von einem jungen Mann so etwas wie Liebe und Leidenschaft angeboten bekommt, will sie, daß diese Beziehung nach von ihr festgelegten Regeln verläuft. Sie will die Dominierende sein und fordert von ihrem Partner Gehorsam. Sie will gequält werden. Sie will die Schmerzen spüren. Doch Walter Klemmer ist nicht der Mann, der sich für eine Beziehung mit Erika bedingungslos aufgibt. Und so zerstören sich die beiden selbst.

Wer glaubt, es bei dieser Geschichte mit einem einfachen Sexfilm der Marke "9 ½ Wochen" zu tun zu haben, der irrt sich gewaltig. Sex wird niemals als Form der Lust angeboten, sondern als Werkzeug, Schmerzen zuzufügen. Dieser Schmerz geht dem Zuschauer schon bald unbehaglich unter der Haut. Das liegt daran, daß die Charaktere durchaus glaubhaft sind. Erika ist eine zutiefst traurige Frau, die eine Künstlerin sein könnte, die es aber nie bis an die Spitze geschafft hat. Nun hat sie Macht und nutzt diese Macht aus. Genauso wie ihre Mutter Macht über sie hat und aus diesem Kreis von Nutzen und Ausnutzung gibt es kein Entrinnen. Die Flucht ist für sie immer nur eine auf Zeit, in der sie versucht, ihre verborgenen Wünsche zu befriedigen. Isabelle Huppert spielt die Erika mit einer unglaublichen Intensität und die Bilder wirken so echt, daß jeder Schmerz, der in diesem Film zugefügt wird, direkt für den Zuschauer spürbar wird. So gibt es weder für die Hauptpersonen noch für die Zuschauer ein Entrinnen. Während die einen auf der Leinwand leiden, werden die anderen immer mehr zu Beobachtern einer äußerst real wirkenden, zerstörerischen Geschichte. Regisseur Michael Haneke ist für diese Art von Filmen bekannt. Er nutzt Gewalttätigkeiten und Schmerzen nicht nur dazu, sie zum bloßen Handlungsteil werden zu lassen. Er gibt diese Elemente direkt an den Zuschauer weiter. Und so nutzt er auch die Vorlage des von der Autorin Elfriede Jelinek geschrieben Romans, der bei seiner Veröffentlichung zum Skandal avancierte, zu seinem eigenen Nutzen aus. Damit beweist er, daß Gewalt im Film mehr sein kann als bloße Zurschaustellung. Vielmehr überträgt er die alltägliche Gewalt direkt auf den unschuldigen Zuschauer. Damit sollte klargestellt sein, daß "Die Klavierspielerin" kein Film ist, der so eben mal konsumiert werden kann. Dieser Film verlangt viel von seinen Zuschauern, vielleicht zuviel?