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Philippe Djian: Schwarze Tage, weiße Nächte. Zürich: Diogenes, 2002. 419 S. ISBN 3-257-06308-3

Der Alltag von Francis ist davon geprägt, sich mit importierten Gesundheitsmittelchen und Präparaten finanziell etwas dazu zu verdienen, um neben einer riesigen Steuerschuld, die dem einst erfolgreiche Autor vom Finanzamt aufgebürdet wurde, noch etwas Geld für seine Kinder zu verdienen, die im fernen Australien ein gutes Leben führen. Seine Frau Edith ist immer viel unterwegs und schenkt ihrem Mann alle Freiheiten, die er haben möchte. Sie schlägt ihm sogar vor, eine gemeinsame Bekannte zu verführen, um mit dieser pornographische Videos zu drehen. Doch die Sache ist nicht so einfach zu bewerkstelligen, da es sich bei dieser Frau um die Ehefrau eines jungen und aufstrebenden Autors namens Patrick Vandhoeren handelt, mit dem Francis viel Zeit verbringt und der wegen seines immensen Erfolges jetzt mit einem Verlagswechsel droht und so wird Francis zusätzlich noch von ihrem gemeinsamen Verleger dazu auserwählt, Patrick zu überwachen, damit dieser niemals einen neuen Vertrag unterschreibt. Es lohnt sich auch zu erwähnen, daß Patricks neuestes Buch das Zeug hat, ein Meisterwerk zu werden, mit dem man wirklich sehr viel Geld verdienen könnte und das Patrick zu dem Autoren seiner Generation machen würde. Erst scheint Francis mit dieser Doppelaufgabe sehr gut zurecht zu kommen, so begleitet er einerseits seinen Freund und Kollegen auf dessen Vortragsreise und andererseits schafft er es auch, dessen Frau zu verführen und es kommt zu immer gewagteren sexuellen Begegnungen zwischen ihm und Nicole Vandhoeren. Da Francis Leben und Glück aber von nun an noch verstärkter von den Handlungen und Taten anderer abhängig ist und diese in ihrem Handeln und Verlangen immer mehr ins Extreme abdriften, verliert er nach und nach die Kontrolle über sein Leben.

Ein Autor hat die Gabe, sich seine eigene Welt zu erschaffen. Ist er eigentlich zu Tode betrübt und dazu verdammt an seiner Einsamkeit zu verrecken, kann er sich seine Welt neu erschaffen. Diese Welt ist im Falle von Francis eine sehr zerbrechliche und es scheint so, als wolle er zum einen sein verlorenes Familienglück wiedererlangen und auf der anderen Seite ein neues Leben beginnen, in dem er sich mit anderen Menschen vergnügen kann und gleichzeitig erlebt, wie viel schlimmer es ihm hätte ergehen können.

Philippe Djian beschreibt uns Francis Leben sehr formal und nüchtern, egal ob dieser sich nun auf dem Tennisplatz befindet oder irgendwo mit der einen oder anderen Frau Sex hat, alles scheint ein wenig unterkühlt und die Lebensmitte, nach der er sucht, scheint ihm abhanden gekommen zu sein. Sein altes Leben holt Francis immer wieder ein. Er hat seine Frau verloren und irgendwie kann er diese Lücke nicht mehr füllen. Alle Versuche scheinen zu scheitern, weil seine Mitmenschen genauso unglücklich sind wie er selbst. Da Francis Handlungen aber keinerlei Konsequenzen für ihn persönlich haben, darf er auch tun, was er will, doch gelingt es ihm letzten Endes nicht, die Kontrolle über sich und seine Phantasien zu behalten. Die vielen pornographischen Passagen dieses Buches verlangen etwas Geduld, aber im Gegensatz zu Djians amerikanischem Kollegen Bret Easton Ellis, der mit seinen letzen Beschreibungen von sexueller Penetration in "Glamorama" schon etwas zu viel Toleranz von seinem Leser abverlangte, werden diese Szenen auch nicht zum reinen Selbstzweck, da Francis sich in diesen Szenen auch immer mehr in seiner Phantasie verliert. Hier wird am deutlichsten, daß es sich um Phantasien handelt, die wie im Fieberwahn erzählt werden und die, nachdem sie ihren Höhepunkt erreicht haben, immer nüchterner und am Ende nur noch aus reiner Verzweiflung erlebt werden. Am Ende scheint auch Djian etwas die Kontrolle über seine Handlung zu verlieren, da er das Ziel, einen ironischen und durchtriebenen Roman voller Spitzen und Weisheiten zu schreiben, der seine Leser glänzend unterhält, knapp verfehlt, da die Geschichte am Ende an Kraft verliert, da der Zusammenbruch der handlungsantreibenden Personen am Ende ohne große Überraschungen auskommt, mit denen uns der Autor über mehr als zwei Drittel seiner Geschichte immer wieder zum weiterlesen gezwungen hat. Trotzdem ist dies ein provokantes und intelligentes Werk, das aufgeschlossene Leser sucht und der Pornographie in der Literatur etwas die Tür öffnet und dies macht Djian gekonnter als es in den letzten Jahren von ein paar bekannten Arthouse-Regisseuren fürs Kino versucht wurde.