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Alastair Reynolds: Unendlichkeit. München: Heyne, 2001. 767 S.
ISBN 3-453-18787-3

Geht man das Personenregister dieses Buches von hinten nach vorne durch, dann treffen wir in diesem Roman auf einen Kapitän eines riesigen Raumschiffs, das über eine außergewöhnliche Technik und ein zerstörerisches Waffenarsenal verfügt, auf einen Ränkeschmied und politische Figur in einer vergessenen Kolonie der Menschheit, auf einen Arzt, der versucht, ein künstliches Augenpaar wieder zum Funktionieren zu bringen, auf die Tochter des schon genannten Ränkeschmieds, die sich in die wichtigste Figur dieser Geschichte verliebt, auf mächtige, fast künstliche Menschen, die sich fast von ihrer Menschlichkeit gelöst haben und eins geworden sind mit der mit ihnen verbundenen Technologie, auf eine ehemalige Berufssoldatin, die sich nun als Auftragskillerin verdingt und der in diesem Buch auch eine sehr wichtige Rolle zukommt, auf eine künstliche Intelligenz, die Weltraumfahrer in den Wahnsinn treibt und ihre verborgenen Spielchen spielt, eine mysteriöse Auftraggeberin, die jemanden tot sehen will, eine Wissenschaftlerin, die einst an eine bestimmte Sache glaubte und die eine Revolution mitanführt und am Ende stößt man dann endlich auf Dan Sylveste, seinen Vater Calvin und auf Illa Volyova, die Waffenexpertin des riesigen Raumschiffes "Sehnsucht nach Unendlichkeit". Und eigentlich geht es hauptsächlich um diese drei und die eben schon erwähnte Killerin, die auf den Namen Ana Khourie hört.

Dan Sylveste ist einer der brillantesten Wissenschaftler der Menschheit. Er hat sich in Bereiche des Alls vorgewagt, die als sehr tödlich und zerstörerisch gelten und nun hockt er auf Resurgam fest, einer vollkommen isolierten Welt. Doch dies stört ihn nicht. Er will das Geheimnis der einstigen Bewohner dieser Welt erforschen und erkunden, warum die Amarantin aufgehört haben zu existieren. Die Amarantin fielen einer großen Katastrophe zum Opfer, die als "das Ereignis" bezeichnet wird. Doch fast am Ziel wird Dan Sylveste das Opfer einer kleinen Revolution, die das Machtgefüge innerhalb der Kolonie verändert. Und im Machtpoker der Menschheit wurden die Sylveste immer gerne benutzt und haben auch so einige Machtspiele selbst gespielt. Dan kann dabei auch immer noch auf die Hilfe seines längst verstorbenen Vaters Calvin zurückgreifen, der eine Bewußtseinskopie von sich hat anfertigen lassen. Als künstliche Projektion hilft er Dan immer noch mit der ganzen Schärfe seines Verstands und den Erfahrungen eines langen Lebens. Doch auch außerhalb Resurgams passieren Dinge, die alle mit Dan Sylveste in Zusammenhang stehen. Da gibt es die "Sehnsucht nach Unendlichkeit", ein riesiges Lichtschiff, das nur von ein paar Chimären gesteuert wird. Chimären sind Menschen, die ihre Körper durch leistungsfähigere Kunstteile ersetzt haben. Die Besatzung hat ein Problem, ihr Kapitän wurde von der Schmelzseuche angegriffen. Diese Krankheit verbindet den Körper des sich im Kältetank befindenen Kapitäns langsam mit dem des Schiffes. Nur eine Person kommt in Frage, die den Kapitän retten kann, Dan Sylveste. Doch noch ein weiteres Problem ist der Waffenexpertin des Schiffes, Ilia Volyova, bekannt. Eine künstliche Intelligenz, die sich selbst Sonnendieb nennt, ist in den Waffenpark eingedrungen und scheint auch von dem Waffenoffizier Besitz ergriffen zu haben. Volyova muß schnellstens für diesen einen Ersatz besorgen. Auf einer anderen Welt ist eine ehemalige Berufssoldatin gestrandet. Nun, fern von ihrer Heimat und ihrem Ehemann, den sie wohl niemals wiedersehen wird, verdingt sie sich als Auftragskillerin für lebensmüde Reiche. Plötzlich bekommt sie aber von einer mysteriösen Person, die sich selbst nur "Mademoiselle" nennt, einen Auftrag. Sie soll Dan Sylveste finden und töten, bevor dieser die gesamte Menschheit und vielleicht jegliches intelligentes Leben des bekannten Universums in Gefahr bringen kann. Diese drei getrennt laufenden Handlungsebenen werden sich natürlich treffen und für die jeweils agierenden Personen kommt es zu einer Vielzahl schwieriger Entscheidungen. Außerdem gibt es noch mindestens eine vierte, aus dem Verborgenen agierende Macht, die auch noch ein Wörtchen mitzureden hat.

Was so wunderbar an diesem Buch ist, das einen mit seinem ersten Satz, der da lautet: "Ein Schmirgelsturm war im Anzug", etwas hilflos dastehen läßt, ist der spannende Erzählfluß, der einen schon kurz nach Beginn des Buches in seinen Bann zieht. Wie ein Thrillerautor, mit immer wieder geschickt ausgespielten Überraschungen, schickt Alastair Reynolds seine Leser auf eine Reise in die Zukunft, in der Menschen entweder durch das Anfertigen einer künstlichen Kopie oder durch immer wieder eingelegte Kälteschlafperioden ein fast unendlich langes Leben zu leben haben. Außerdem können die Menschen auf riesigen Raumschiffen immer weitere Wegstrecken zurücklegen und kommen so langsam an die Grenzen der bekannten Realität. Dabei stoßen sie nur auf vereinzelte und stets sehr fremdartige außerirdische Lebensformen, die mit den Menschen nichts gemeinsam haben. Eigentlich geht es aber um die Handlungen von drei Personen, die durch eine unbekannt Macht aufeinander zu getrieben werden und so verbindet Alastair Reynolds in einer Geschichte, die von eigentlich wenigen Personen beeinflußt wird, den ganzen Zauber einer Space Opera, in der es ja schon immer um das Entdecken neuer Lebensformen und Existenzebenen ging, mit dem ganzen wunderbaren Zauber der Science Fiction und gibt uns so einen Einblick in den derzeitigen Stand dieser Literaturgattung. Und in dieser hat sich Alastair Reynolds mit diesem Debüt sicherlich einen Platz gesichert.