23

Vor dem Hintergrund einer populär philosophischen Schrift des amerikanischen Autors Wilson über einen im 18 Jahrhundert gegründeten Geheimbund namens "die Iluminatie" wird die reale Geschichte des jungen deutschen Hackers Karl Koch erzählt, der Ende der achtziger Jahre durch organisierte Spionage in geheimen Datennetzen im Auftrag des KGB´s für Aufsehen sorgte. Dabei ist die 23 und die 5, als die Quersumme von 23, die Wirbelsäule der von Karl Koch, mit gradezu sektenhafter Gläubigkeit, gepriesenen geheimgehaltene Weltverschwörungstheorie der Iluminatie. Diese Theorie wendet sich mit der These Nichts ist so wie es scheint von Zufall und Schicksal ab. Der in den achtziger Jahren als Kultautor gefeierte Autor Wilson, versucht in seinen Büchern anhand von Zahlenspielen mit der 23, zu zeigen, daß das Weltgeschehen der letzten 200 Jahre von diesem Geheimbund gesteuert wurde. Wilson und der Film liefern dazu eine ganze Anzahl von Beweisen, die diese Theorien verstärken, was die Zuschauer darüber streiten lassen und Esotherikfreaks aus der Bahn werfen wird.

Karl steht nach dem Abitur und dem plötzlichen Tod des verhaßten Vaters mit einer üppigen Bargeldsumme im Hannover der achtziger Jahr da. Karl ist politisch angagiert und aktiv, was Aufgrund der politischen Themen zu dieser Zeit, wie AKW Protest und Friedensbewegung schon immer zu Streit mit seinen konservativen Vater führte. Sein Hauptinteresse gilt aber den Computern und das ist damals, der liebenswerte C64, mit dem er sich andauernd beschäftigt und alle Möglichkeiten der Nutzung auszuloten versucht. In Verbindung mit seinem Freund David, der ebenfalls interessiert ist an den Theorien der Iluminatie, erschließen sich beständig die weiten Welten der vorinternet Datennetze und sie beginnen, versorgt mit Akustik-Koppler und reichlich Marihuana, sich auch illegal Zutritt zu diesen Netzen zu verschaffen. Berauscht von den eigenen Fähigkeiten und dem provozierenden Leichtsinn der vernetzten Firmen, landet ihr prickelndes Hobby schließlich in den Händen von Programmierer Lupo & Drogendealer Pepe. Sie ködern Karl und David mit der Aussicht auf Weltverbesserung und Machtausgleich, für das KGB. Sie selbst denken nur an Geld und Macht. Karl, der immer sensibel war, reagiert auf diesen Versuch der Weltrettung mit Kokain und einen steigenden Realitätsverlust. Es folgt chronischer Geldmangel und Einsamkeit. Währe da nicht Davidl, der für ihm ein Anker darstellt, der ihm in der realen Welt festhält, sehe es noch schlimmer aus. Doch die Sache ist ihnen schon entglitten. Es folgt der Zusammenbruch von Mensch und Material.

Der Hauptdarsteller und Schauspielschüler August Diehl ist hervorzuheben. Er spielt den Karl introvertiert und äußerst glaubwürdig, dies trotzdem er persönlich zwischen seiner und Karls Person, nur sehr wenig Gleiches erkennen kann. Diehl bewegt die Figur sicher zwischen postabiturrieller Fetengseligkeit und konsumumnebelter Paranoia. Dadurch wird er nicht zum einfach nur netten neuen Jungdarsteller abgestempelt. Durch die glaubwürdige Darstellung des Karls bewahrt er auch den Film von Anfang an ins Teeniehafte abzugleiten. Auch die Austattung des Films ist, da typisch achtziger Jahre einfach als Liebenswert zu erwähnen. Von der aus den späten 70 Jahren stammenden Hoteltapete und den simplen Rechenmaschinen, auf die man heute nur noch lächelnd zurückschaut ist die gute Alte Zeit wieder vor uns Auferstanden. Und die Musik gibt sich nicht mit Krachern aus der Zeit der deutschen Welle ab, sondern läßt uns aufhochen und es muß anerkannt werden, daß früher auch die Musik etwas zu geben hatte. Hinter der Vorgabe der alles umfassenden Weltverschwöung bleibt der Film aber schnell zurück. Aber "23" ist sehenswert, da er deutsch ist und keine Komöde, aber witzig und kein Krimi, aber spannend ist. Also ist dieser Film kein Werk das auf irgendeiner Retrohwelle schwappt sondern ernst gemachtes intelligentes Kino. Hans Cristian Schmid ist also nicht wie einige seiner Kollegen nach den Erfolg ihres Erstlings ins dummblöde Großprojekt abgeglitten, sondern scheint den künstlerischen Boden unter seinen Füßen behalten zu haben. Christian Ulmke