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Die Liebenden von Pont-Neuf
Alex (Denis Lavant) lebt auf der Straße. Er torkelt in die Nacht hinein,
bricht mitten auf einer Straße zusammen und wird angefahren. Auch Michèle
(Juliette Binoche) ist in dieser Nacht auf der Straße und wie Alex wird
sie aufgesammelt und an einen Ort gebracht, an dem die Verlorenen, die
Außenseiter und Asoziale für den nächsten Tag notdürftig fertig gemacht
werden. In dieser Nacht prägt sich Michèle das Gesicht von Alex ein und
zeichnet ein Bild davon. Als Alex zurück zur Brücke kommt, die ihm zum
Heim geworden ist, ist auch Michèle auf der Pont-Neuf angekommen. Die
Malerin, die ihr Augenlicht zu verlieren droht, hat einen Ort der Zuflucht
gefunden, obwohl sie immer noch nach einer Person ihres alten Lebens sucht.
Für Alex wird Michèle zur Gefährtin und er tut alles für sie, um mit ihr
auf seiner Brücke glücklich zu sein. Doch irgendwann droht die Illusion
eines gemeinsamen Sommers zu zerplatzen, da zuviel um die Beiden herum
passiert.
Es könnte in diesem Film einfach nur um die Liebesgeschichte zweier
junger Obdachloser gehen, irgendwie geht es auch darum. Die gemeinsame
Zeit der Hauptpersonen ist in eine unglaubliche Symphonie von Bildern
gepackt, die meistens auch die Großstadt Paris in faszinierenden Aufnahmen
auf der Leinwand wiedergeben und zu einer weiteren Hauptdarstellerin machen.
Die Bilder, aufgenommen während der Feierlichkeiten zum 200jährigen Jubiläum
der Französischen Revolution, bieten hierbei schon nach der Hälfte des
Films einen sagenhaften Höhepunkt. Bei der ganzen freigesetzen Bildgewalt
fragt man sich, welche Form von Film eigentlich die wahre ist. Geht es
nur um die Kraft der Bilder und um die Fähigkeiten eines guten Kameramannes?
Müssen Schauspieler wirklich als Träger einer Geschichte fungieren? Müssen
wir das Kino mit Filmen, die ohne Handlung auskommen, neu entdecken? Reicht
die Kraft einer Sequenz von Bildern aus, um uns zu begeistern oder brauchen
wir eine logische Geschichte, damit wir nach dem Kinobesuch uns über etwas
austauschen können, das von jedem Zuschauer gleich gedeutet wird? Bei
Leos Carax steht in diesem Film die Macht des Bildes eindeutig im Vordergrund,
wobei er aber nicht vergißt, daß der Schauspieler nicht nur als Teil einer
Geschichte fungiert, sondern auch als Überträger des auf der Leinwand
erlittenen Schmerzes, den er bei realistischer Darstellung sofort an das
Kinopublikum weitergibt. So gibt es in diesem Film viel für die Sinne,
aber auch einiges zu ertragen, da die Liebenden scheinbar jede Form der
Liebe zu ertragen haben.
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