Ein Raum, der eingetaucht ist in helles Licht. Das kleine Mädchen mit Namen Carol Anne ist dort ganz alleine. Manchmal sind da aber Geräusche. Schritte. Ein Flüstern. Ein Pochen und ein fremdartiges Rauschen. Manchmal ist aber auch jemand bei ihr. Manchmal sind es ganz viele. Sie sind dann nicht sichtbar, sie sind aber spürbar. Genauso spürbar, wie sie ihre Mutter immer noch spüren kann. Diese ist draußen, außerhalb des Zimmers, außerhalb des hellen Lichtes. Sie hört sogar ihr Rufen und Carol Anne antwortet ihr dann. Doch diese Augenblicke werden immer seltener und so fängt Carol Anne sogar an, ihren Bruder Robbie zu vermissen. Doch sie weiß auch, daß Robbie, wenn er nun bei ihr wäre, vor Angst sterben würde. Robbie ist einfach ängstlicher als seine kleine Schwester. Er hat eigentlich vor allem Angst. Vor einem heftigen Sturm oder vor dem Blitzen eines Gewitters und auch vor dem Grinsen des Stoffclowns, der bei ihnen in ihrem Zimmer ist. Hier, ohne seinen Vater, der ihm stets Schutz und Erklärung gibt, würde Robbie es nicht mögen. Aber vielleicht würde auch Robbie den Jungen mögen. Der Junge ist sehr nett. Er erzählt Carol Anne immer schöne Geschichten mit schönen Dingen. Er scheint sie sehr genau zu kennen, denn er weiß, was Carol mag und was nicht. Warum aber läßt er sie nicht zurück zu ihrer Mutter? Plötzlich scheint das helle Licht einen Riß zu bekommen. Aus dem schwarzen Schlitz tritt er zu ihr in den Raum. Und er setzt sich im Schneidersitz vor ihr hin.
"Carol Anne, ich weiß, daß du dir manchmal wünscht, von hier weg zu kommen. Damit würdest du mich aber sehr traurig machen. Ich will, daß wir für immer Freunde bleiben. Daß wir für alle Zeit uns gut unterhalten und Spaß miteinander haben werden. Hier werden wir auch immer glücklich sein und uns nicht verändern. Du willst doch immer mit mir spielen?"
Carol Anne nickt. Dann aber muß sie sich selbst eingestehen, daß sie doch lieber zu ihrer Familie zurück will. Sie runzelt die Stirn und fängt an unruhig nach vorn und dann wieder nach hinten zu wippen.
"Äh, ich will dir ja nicht..."
"Sag nichts, Carol Anne. Ich weiß, daß du sie vermißt, doch du wirst vergessen. Hier wird alles schön werden. Genauso wie du es willst, so wird sich dieser Raum deinen Wünschen anpassen. Doch bevor du all das haben kannst, mußt du bereit sein loszulassen. Du mußt deinen Kontakt zu denen dort draußen beenden. Bist du dazu bereit, Carol Anne?"
Carol Anne denkt darüber gar nicht erst lange nach, sie stellt ihm eine Gegenfrage.
"Gibt es hier dann Tiere, so wie Räuber?"
"Natürlich gibt es hier keine Tiere. Wir brauchen hier keine Tiere, um uns das Gefühl zu geben, daß wir nicht alleine wären. Wir sind hier niemals alleine. Und hier wird niemand verletzt und niemand stirbt."
"Aber ich war hier schon alleine. Also da waren zwar die, die man kaum sehen kann, deren Anwesenheit man nur spürt, aber die zählen doch nicht. Außerdem höre ich von Zeit zu Zeit meine Mutter, die nach mir ruft. Ich kann sie doch nicht alleine lassen. Und da ist auch noch Robbie, um den muß ich mich auch kümmern."
"Carol Anne, Liebling, hörst du mich?" Ein weiteres Rufen, diesmal aber kommt es von viel weiter weg.
"Mammi, ich bin hier!" Carol Anne schreit mit aller Kraft. Der Junge verschwindet.

Ein Geist sinnt nach einem Weg , sich an den Lebenden zu rächen. Die Lebenden dort unten, haben es gut. Sie leben in Frieden und in Ruhe. Doch er wird es ihnen weg nehmen. So wie sie ihm und seinesgleichen auch den Frieden und die Ruhe genommen haben.

Poltergeist

"Poltergeist" von Tobe Hooper aus dem Jahre 1982, der geschrieben und produziert wurde von Steven Spielberg, dem man auch nachsagte, daß er in Wirklichkeit diesen Film realisiert hat, ist wohl einer der wenigen Filme aus den 80er Jahren, die mir immer wieder Freude machen. Letztens saß ich wieder da. Es war dunkel und langsam begannen die Bilder auf der Mattscheibe ihr Eigenleben zu entwickeln. Schön waren die Soundeffekte, die von Anfang an eine schauerliche Grundstimmung erzeugten. Dann ist da die typische Vorortidylle, die für Spielbergproduktionen dieser Zeit so typisch war. Wir lernen die nette Familie kennen, die Freelings. Und wir wissen schnell, daß die Zeichen, die durch das seltsame Eigenleben eines Fernseher, einen noch nicht fertiggestellten Swimmingpool, einen Stoffclown und einen seltsam geformten Baum gesetzt werden, nichts Gutes verheißen. Dann passieren die seltsamen Dinge. Carol Anne fängt an, mit dem Fernseher zu reden und Stühle beginnen sich von selbst zu verstellen. Erst scheint dies noch alles ein Spaß zu sein. Doch schnell wird daraus Ernst. Aus dem Chaos einer stürmischen Nacht wächst die Erkenntnis, daß Carol Anne verschwunden ist. Doch dann kommt plötzlich ihre Stimme aus dem Fernseher. Beim Umgang mit Spezialeffekten ist "Poltergeist" für seine Zeit wegweisend. Zwar verwendet Spielberg und sein Regisseur auch die für Spielberg typischen einfachen Lichteffekte und manch aufwendigere Trickaufnahme gab es auch schon kurz zuvor in "Jäger des verlorenden Schatzes" zu sehen. Doch tun die Filmemacher dies so geschickt, daß am Ende eine wunderbare filmische Geisterfahrt vollendet ist. Und diese Geisterfahrt begeistert auch heute noch.

Neu bearbeitetes Skript der Hörprobe-Ausgabe vom 18.3.1999